Kurztest Cyberdrive von JMG Sound

Ein Kurztest von Stefan Federspiel,
veröffentlicht am 01.09.2024

Das Marketing Geklingel ist in diesem Fall allzu hübsch und ich übersetze es mal direkt: 

“Das letzte Wort in Sachen Distortion ist soeben gesprochen worden. Sie können jetzt alle Ihre Distortions in den TRASH werfen. Mit der großen Hilfe von Dr. Distorstein haben wir eine Waffe der Massendistortion geschaffen. Wir haben das letzte Kapitel geschrieben und die verzerrteste Verzerrung geschaffen, die alles vernichtet. Die letzte Distortion, die noch besteht, der wahnsinnige Drive, der euch in den Wahnsinn treiben wird, heißt Cyberdrive.”

Jo – das ist doch was. Und es wird gleich noch mal Bezug genommen auf den großen Konkurrenten in Sachen Multi-Distortion TRASH 2. Also haben wir es angeblich mit dem allerletzten Distortion-Effekt zu tun, den wir jemals brauchen werden. 

Nun gut, schaun wir mal. Die erste Anmutung ist eine klassische, ein klares, übersichtliches Panel mit etlichen Ausklapp-Menüs, alles direkt zugänglich.
In der Kopfleiste links findet man die Presets und einen A/B Vergleich, daneben der Zufallsgenerator, der alles zufällig verstellt oder auf einzelne Module und Parameter gerichtet werden kann. 

Cyberdrive main
Cyberdrive von JMG

Übersichtlicher Überblick

Rechts sind generelle Einstellungen, Gain Compensation, die die Lautstärke zwischen den Presets ausgleichen soll, aber die Dynamik Richtung sehr leise absenkt. Es ist sinnvoller einzelne Presets mit dem Output Gain Regler einzustellen. Ein Clipper, den man immer an haben sollte, denn dieses Plugin kann sehr laut werden, eine Drive-Einstellung, die den Input Gain anhebt, sollte man nur verwenden, wenn das Eingangssignal leise ist, das kann natürlich bei lauten Signalen die Distortion oder das Feedback schneller in den Overdrive treiben, wenn man das will. Oversampling – muss man schauen, ob man das wirklich braucht, das erhöht natürlich die Prozessorlast. Der generelle Mix des Plugins, das steht in Wechselwirkung zu den Mix-Einstellungen der Distortion Module. 

Im Mittelteil des Panels sind drei identische Distortion Module untergebracht und rechts unten ein Feedback Modul. 

Darunter befindet sich die Leiste mit den Effekten und darunter kann man die Reihenfolge der grundsätzlich seriellen Module umstellen, eine parallele Verarbeitung ist nicht vorgesehen, in dieser Leiste befindet sich auch das Input / Output Gain.

Insgesamt ein folgerichtiges und logisches Layout, generelle Einstellungen bekommt man mit einem Rechtsklick auf den Hintergrund der Module. 

Die Distorrrtion

Distortion Modul
Distortion Modul

Die Distortion Module sind die zentralen Einheiten, hier bestimmen der große Mix Regler das Mischverhältnis dieses Moduls zum Eingangssignal und gleichzeitig zu den anderen Modulen, der Drive Regler hebt das Eingangssignal an und macht die Verzerrung härter, Control wirkt sich bei jedem Modul anders aus und regelt interne Parameter wie Bit-Tiefe, Kurvenform und Filter in einem Feedback Loop, die den Charakter der Distortion etwas ändern.
Man kann mit den unscheinbaren Schraubenköpfen dazwischen noch individuell das Input/Output Gain des Moduls anpassen.

Über diesen größen Reglern befindet sich die Auswahl des Distortion-Typs, hier kann man aus 64 Typen in 8 Kategorien auswählen. Da befinden sich schon ganz unterschiedliche Ausprägungen darunter, welche die in die digitale Bitcrusher-Richtung gehen neben klassischen Sättigungen und Gitatten-Amp oder Pedal-Verzerrungen, unter der Kategorie Freak noch einige exotische Typen, die deutlich anders sind, als die normale Kost. Es dürfte tatsächlich fast alles abgedeckt sein, was es so an Möglichkeiten gibt, ein Signal zu verzerren.

Auswahl Typen
Auswahl Distortion Typen

Rechts daneben die Schieberegler für die Filter-Einheit des Moduls, sie umfasst ein Highpass und ein Lowpass Filter, bei denen man jeweils den Slope von 6 – 96 dB einstellen kann. Eine Resonanz gibt es nicht, diese findet man bei den Effekt-Filtern in der Effekt-Leiste unten.
Da die Module seriell hintereinander das Signal verarbeiten führt eine Beschneidung des Frequenzgangs dazu, dass das nächste Modul diese Anteile nicht mehr verarbeiten kann. Wenn man den Modus von Filter auf Multi umschaltet, dann dreht sich das um, nun wird nur das Signal zwischen den Reglern verzerrt und ober- und unterhalb passiert das Signal dry zum nächsten Modul. Man kann also mit einem Distortion-Typ nur die Höhen bearbeiten und mit dem nächsten nur die Tiefen, was recht flexibel ist. 

Das Feedback Modul ist ein Zwischending zwischen einem einfachen Delay und einer Gitarren-Amp Feedback Schleife. Je nach Einstellung und Modus tendiert es mehr in die eine oder andere Richtung. Weit aufgedreht kann es zu diesem typischen Feedback-Screaming kommen, was aber auch schnell außer Kontrolle geraten kann. 

Effekte

Cyberdrive ist kein reiner Distortion Effekt sondern bringt auch noch einige andere Effekte mit, die das Geschehen stark beeinflussen können. Jeweils mit einigen Untertypen sind das Kompression, zwei identische Filter, Motion beherbergt Effekte wie Chorus, Flanger, Phaser, in Profile findet man Bass/Gitarren Cabinets und als Besonderheit Impulsantworten von Metallen, die dem Ton einen metallischen Charakter aufprägen. Space steht für Reverb, Delay und Scatter/Diffuser. Der Klang und die Auswirkung dieser Effekte hängt auch stark von ihrer Position in der Effektkette ab. 

Effekte
Effekte

Presets

Cyberdrive kommt mit 200 Presets, die ganz gut wiedergeben, was das Plugin kann. Das reicht von leichter Sättigung und Verstärkung der Präsenz über klassische Gitarren-Amp Verzerrung in allen Spielarten bis zu staubigen digitalen Lofi-Effekten und ungewöhnlichen Klangzerstörern. Gerade wegen der Kombination mit den anderen Effekten ist es eine recht weite Palette, die hier geboten wird.
Interessant fand ich den Zufallsgenerator, der nach etlichen Versuchen immer mal wieder interessante Ausgangspunkte für eine weitere Anpassung und ein neues Preset bietet. Auch fand ich es wegen der übersichtlichen Oberfläche sehr einfach und schnell gemacht sich ein neues und wieder etwas anders klingendes Preset zusammen zu klicken. Die bis zu drei Distortions hintereinander können schon Sinn machen, selbst nur mit einem und anderen Effekten drum herum kommt immer wieder etwas brauchbares heraus. 

Ein schnelles alles in eins-Video, in dem zuerst aus den vielen Distortion Typen eine Auswahl aus den Kategorien geladen werden. Dann geht es um die Ausgangs-Filter (die auch pre sein können) der Distortion Module und um das Feedback Modul. Ein neues Preset wird zusammengeklickt. Dann die zweite Hälfte des Videos nur noch Presets auf verschiedenem Material. 

Fazit

Mit Cyberdrive betritt ein durchaus ernst zu nehmender Distortion-Multieffekt die Bühne. Ich habe zwar nur die erste Version von TRASH, das auch eine große Menge verschiedenartiger Verzerrungen zustande bringt und auch über exotische Varianten verfügt und Impulsantworten und unterstützende Effekte. Doch wieder im Detail etwas andere. Übersichtlicher finde ich Cyberdrive. Die Hälfte der Typen in Cyberdrive deckt typische Gitarren-Amps ab, das finde ich zwar sinnvoll um sie mit anderen Typen zu mischen, alleine kommen sie aber nicht an die bis ins Letzte nachgebauten Verzerrungsketten von High-End Amp/Cabinet Emulationen heran, das kann man pur damit nicht ersetzen. Auch Axiom, das ich hier schon besprochen habe, das eher flexibler Algorithmen-basiert ist klingt etwas authentischer. Axiom geht zwar auch in die Richtung eines Multi-Effekt Verzerrers und kann vor allem mit dem eingebauten Delay Late Replies viel mehr – ist aber auch um ein mehrfaches teurer, selbst gegenüber dem Normalpreis von Cyberdrive. Aber um jede Art von Synths, Keys und Schlaginstrumenten mit einfachen oder eben auch recht exotischen Arten von Verzerrung aufzuwerten ist Cyberdrive ein weit fortgeschrittenes und vielseitiges Werkzeug. 

Produktseite von Cyberdrive bei United Plugins:

https://unitedplugins.com/cyberdrive


Zum gegenwärtigen Einführungspreis von 15 € ist das auf jeden Fall keine Überlegung wert, kann man direkt zuschlagen und hat auch auf lange Sicht etwas davon, selbst die Hälfte des regulären Preises wäre noch ok. 

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